Wir verbinden Medizin, Psychologie und Management
Diese Woche betrachten wir den dramatischen und wechselvollen Schwellenparcours am Beginn unseres Lebens.
Falls Du schon mal ein Kind geboren hast bzw. bei einer Geburt dabei warst, hast Du zweifellos erlebt, eine wie hefige und dramatische Schwelle am Beginn unseres Lebens bewältigt werden muss. Der erste Schrei eines neugeborenen Kindes berührt alle Beteiligten tief und in den Bewegungen des neugeborenen Kindes ist schon so viel spürbar davon, welcher neue Mensch gerade die Bühne betreten hat. Auch für die Mutter ist die Geburt eine heftige Schwellensituation und die meisten Frauen, die mehrere Kinder geboren haben wissen, dass jede Geburt anders ist und dass sie sich selbst während und nach der Geburt andersgefühlt haben. Es macht schon einen riesigen Unterschied, wenn die Mutter dreißig oder mehr Stunden Wehen und um die Geburt gerungen hat, ob sie unter Umständen völlig erschöpft ist, oder ob das Kind scheinbar mühelos aus ihr heraus ins Leben glitt. Ziemlich direkt nach der Geburt wartet auf Mutter und Kind, etwas weniger direkt auch auf den Vater, die nächste wesentliche Schwelle.
Dabei geht es um das Erlebnis oder eben manchmal auch um das fehlende Erlebnis von Bindung und mütterlichen Gefühlen zu dem gerade geborenen Kind. Viele Mütter können sich direkt von Herzen zuwenden, andere erleben Fremdheit und eben keine mütterlichen Gefühle. Manche Mütter geraten dann in Panik. In diesen Fällen ist es sehr hilfreich zu erklären, dass sich Muttergefühle manchmal erst in den Stunden oder Tagen nach der Geburt entwickeln. Es ist wie ein Programm, das zuerst hochfahren muss. Als nächstes folgt der Aufbau von Bindung zwischen Mutter und Kind, ein durchaus verletzbares Geschehen, in dem sich viele Weichen stellen für die spätere Beziehungsfähigkeit des Kindes. Manches davon reicht bis ins Erwachsenenalter, man könnte sagen, es berührt den ganzen Rest des Lebens.
Ähnliches trifft zu auf zahllose Begegnungen zwischen dem kleinen Kind und seinen pflegenden Personen, an erster Stelle der Mutter. Wie sehr weiß sich ein Kind geliebt? Wie sehr spürtes Geborgenheit, Angenommen sein und macht es von Anfang an die Erfahrung, dass jemand kommt, wenn es ihn ruft? Anderseits ist die Frage wie weit erlebt sich ein Kind als lästig? Wirkt die Mutter desinteressiert, vielleicht kalt, vielleicht grob? All dies ist die Grundlage für die innere Bilderwelt, für die Frage, bin ich geliebt, bin ich wertvoll, habe ich Einfluss, aber auch, bin ich umgeben von freundlichen, liebenden, hilfreichen Menschen oder muss ich fürchten im Stich gelassen zu werden? Letzteres kann in der kindlichen Seele sogar zu der Angst führen zu verhungern oder sonst wie unterzugehen. Es geht also darum in wie weit ein Kind schon am Anfang seines Lebens ein Gefühl von Sicherheit erlebt. Genau dieses Gefühl von Sicherheit ist es, das entscheidend die Funktion seines vegetativen Nervensystems prägt.
Du siehst wie wichtig die Phase von der Geburt bis hin zur Kleinkindphase ist. Wir gehen in unserem Buch Lebensschwellen ausführlich darauf ein, und vielleicht kannst Du diese Themenwoche benutzen, darüber nachzudenken, wie denn dein persönlicher Einstieg ins Leben war. Wenn es noch Zeitzeugen gibt, Eltern oder andere Verwandte, frag nach. Du könntest dann Informationen bekommen, die Deine Sicht auf die Welt nachhaltig klarer werden lassen.
Wolfgang Krahé
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Fotocredit: Alex Hockett via Unsplash